Auf welche Weise finden vor allem jüngere Menschen eigentlich noch Zugang zu den großen Literaten der deutschen Kultur? Geht das nur in Schule oder Studium? Sind ihre Spuren nur noch in Büchern, Museen und wissenschaftlichen Artikeln zu finden, weil ihr Wirken ausschließlich auf die Vergangenheit beschränkt ist? Nein, natürlich nicht. Es gibt durchaus noch Bereiche – dessen Potenzial von Eltern, Schule und Lehrern leider noch nicht voll erkannt worden ist – in denen große Literatur fast schon unerkannt weiter wirkt. Und, nein, damit ist nicht etwa Theater, Film oder Musik gemeint: Auch die wachsende Welt der Computerspiele greift auf Inspiration aus der klassischen Literatur zurück und verarbeitet sie in ihren Geschichten.
Dante Alighieri und Johann Wolfgang von Goethe im Computerspiel – Ist ein Steam-Gutschein jetzt bildungsfördernd?
So gibt es ein Computerspiel, in welchem man als Spieler in die Rolle Dante’s schlüpft und sich durch die neun Kreise der Hölle spielt und Goethe selbst taucht auch mal in einer Gastrolle im Computerspiel auf. Auch auf der narratologisch-interpretativen Ebene lassen sich Parallelen finden: Nicht selten führen Reisen – oder Quests – im Computerspiel zu Erkenntnis; sie sind also so etwas wie Bildungs- und Erkenntnisreisen. Da mag man sich jetzt fragen, ob es nicht schon fast förderlich ist, den Kindern Steam-Gutscheine zu schenken. Dabei geht das doch gegen das geläufige Verständnis von der Sinnhaftigkeit von Computerspielen, oder?.
Computerspiele als Zugang zum Erzählen?
Ob über Handy, Computer oder PSN – Computerspiele gibt es in breiter Masse und sind nicht nur über viele Kanäle zugänglich, sondern haben schon ihre eigenen Sportligen und Berufsfelder. Dabei sind, vereinfacht ausgedrückt, Computerspiele eine Mischung aus Bildern, Ton und eben auch Literatur. Wer also Gamedesign lernt, muss sich auch mit Narratologie beschäftigen, denn Rahmengeschichten, unterschiedliche Perspektiven und interaktive Dialoge sind wichtig, um Spieler zu fesseln.
Diese sollen schließlich in eine Welt eintauchen, an der sie nicht nur teilhaben, sondern die sie während des Spiels mitgestalten (und nicht selten retten). Daher scheint es konsequent, dass das Literaturarchiv Marbach jetzt auch Computerspiele sammelt und sich somit das Erzählen auch hier als Forschungs- und Dokumentationssubjekt nicht wegnehmen lässt.
Ein Computerspiel macht doch noch keinen Leser, oder?
Das vielleicht nicht, aber es kann narratologische Gewohnheiten schaffen und neugierig machen. Wer Computerspiele spielt, bewegt sich in Geschichten, muss Geheimnisse lüften, Perspektiven verstehen und bekommt einen intuitiven Zugang zu Spannungsbögen. Es entsteht im besten Falle ein intuitives Wissen über verschiedene Formen des Erzählens. Ein Wissen, welches das Lesen wiederum erleichtern kann.
Darüber hinaus kann in Computerspielen in einem Umfeld mit Autoren Bekanntschaft geschlossen werden, welches vielleicht nicht als aufgesetzt, verstaubt und altertümlich empfunden wird. Wer sich als Dante im Spiel durch die Hölle durchgekämpft hat, ist womöglich nicht mehr davon abgeschreckt, dass das Buch zum Spiel schon mehr als 700 Jahre alt ist und ist vielleicht auch erfreut zu hören, dass es noch eine Reise durch das Paradies gibt.
Menschen lernen über Vernetzung und Assoziation; sind also mit dem Namen Goethe, beispielsweise, schon positive Assoziationen verknüpft, können diese wiederum genutzt werden, um Interesse am literarischen Vermächtnis und an der realen Person Goethes zu wecken.