Unterliederbach – das stolze Dorf im Westen

Knapp zehn Kilometer von der Frankfurter Hauptwache entfernt liegt Unterliederbach, ein idyllisches Dorf, das auf eine 1200-jährige Geschichte zurückblicken kann. Noch heute erzählen Fachwerkhäuser von der Vergangenheit, auch wenn Unterliederbach längst nicht mehr nur das bäuerliche Dorf ist. Der benachbarte Stadtteil Höchst hat dafür gesorgt, dass aus dem ländlichen Idyll ein Arbeiterdorf wurde. Bis heute ist Unterliederbach ein Stadtteil voller Kontraste. Auf der einen Seite die Fachwerkromantik längst vergangener Zeiten, auf der anderen Seite Plattenbauten, die auf dem Reißbrett entstanden. Es ist diese Mischung, die Unterliederbach so interessant macht.

Unterliederbach in Zahlen

Unterliederbach liegt ganz im Südwesten von Frankfurt und ist einer der Stadtteile, der über die Jahrhunderte hinweg gewachsen ist.
Einwohner: 16.700
Fläche: 5,8 Quadratkilometer
Stadtteil seit: 1928
Gehört zum Ortsteil: West

Ein Dorf mit Vergangenheit

Am 4. April 1928 stand eine Gruppe Männer im Frankfurter Römer und sang: „Wir hatten uns ergeben / Mit Herz und mit Hand / Was war das für ein Leben / Da draußen auf dem Land“. Die kleine Gruppe kam aus Unterliederbach und sang den Menschen aus dem Dorf im Westen von Frankfurt aus der Seele. An diesem Tag kam Unterliederbach zu Frankfurt und damit endete die lange Geschichte des Dorfes. Begonnen hat diese Geschichte wahrscheinlich 3000 vor Christus mit einem Siedlungsbau auf dem Gebiet, das heute Unterliederbach ist. Dann kamen die Römer und sie hinterließen einige Gehöfte. Die Unterliederbacher galten als gute Händler, obwohl sie offiziell nie das Marktrecht hatten. Eine prägnante Zäsur gab es, als das Industriezeitalter begann und Unterliederbach 1917 ein Teil der Stadt Höchst wurde. 1928 kam der Stadtteil dann zu Frankfurt, aber es waren die Farbwerke Hoechst, die auch Unterliederbach prägten. Bereits 1891 entstanden die Arbeitersiedlungen Heimchen und Engelsruhe und 1956 bekam Unterliederbach ein Schwimmbad, das heute das Älteste in Frankfurt ist.

Ein echtes Schmuckstück

Neben den hübschen Fachwerkhäusern hat Unterliederbach noch eine weitere Sehenswürdigkeit: die barocke Dorfkirche. Sie ist das älteste Gebäude in Unterliederbach, denn 1988 entdeckten Archäologen im Bruchsteinfundament der Kirche einen sogenannten Fischgrätenverband. Diese Bauweise gab es nur im 12. Jahrhundert, daher lässt sich der Bau der Kirche zeitlich gut eingrenzen. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Gotteshaus stark beschädigt und bekam nach dem Wiederaufbau ihr heutiges Aussehen. Sehenswert sind vor allem die schönen bunten Mosaikfenster, die die Kirche in südlicher Richtung erhellen.

Die schöne Fachwerkidylle

Von Frankfurt nach Unterliederbach zu fahren, ist ein bisschen wie eine Reise in eine andere Zeit. Obwohl das Dorf nie das Marktrecht hatte, es gab und gibt bis heute einen schönen Marktplatz. Eingerahmt wird der Platz von den sorgfältig restaurierten Fachwerkhäusern. Begrenzt wird das weitläufige Areal von einigen alten Gehöften, die zwar noch bewohnt sind, aber nicht mehr bewirtschaftet werden. Der Marktplatz ist heute ein beliebter Parkplatz, nur wenn im September die traditionelle Michelskerb stattfindet, müssen die Autos den Marktplatz räumen. Der Aufstieg der chemischen Industrie im 19. Jahrhundert im Nachbarstadtteil Höchst ließ die Bevölkerungszahlen in Unterliederbach rasant nach oben schnellen. In der Folge gab es eine Wohnungsnot und die ersten Siedlungen entstanden. Wie diese kleinen Ein- und Zweifamilienhäuser ausgesehen haben, können Besucher in einem Museumshaus nachvollziehen. Das Haus, das zur Siedlung „Heimchen“ hörte, entstand zwischen 1896 und 1897. Für sein hübsches Aussehen und seine hohe Funktionalität bekam das Haus bei der Weltausstellung in Paris einen „Grand Prix“.

Der unübersehbare Kuppelbau

Johnny Cash, ABBA, der unvergessliche Jimi Hendrix und der unvergessliche Duke Ellington – sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind in der Jahrhunderthalle in Frankfurt Unterliederbach aufgetreten. In dem markanten Kuppelbau waren jedoch nicht nur weltberühmte Musiker zu Gast, dort finden auch Sinfoniekonzerte und Ballettaufführungen statt. Die Jahrhunderthalle wurde 1963 eröffnet, und zwar zum hundertjährigen Bestehen der Farbwerke Hoechst. 4800 Menschen finden in der Halle Platz, in der es neben einem großen Saal noch kleinere Säle und ein Restaurant gibt. In der Jahrhunderthalle finden auch heute noch Konzerte statt, außerdem wird sie auch für Hauptversammlungen genutzt. Janis Joplin gab dort ihr einziges Konzert in Deutschland, beim Konzert der britischen Band Jethro Tull ging die große Glasfront der Halle zu Bruch und es gab die Diskussion, keine Rockbands mehr auftreten zu lassen. Der erste Künstler, der in der Halle auftrat, war übrigens der Geiger Yehudi Menuhin. In Unterliederbach heißt die Jahrhunderthalle nur „Pyramidom“, nach dem bekannten Schmerzmittel „Pyramidon“ der Hoechst-AG.

Die kunterbunte Papageiensiedlung

1962 entschlossen sich die Frankfurter Verkehrsplaner, aus dem Wiesbadener Schnellweg die Autobahn A66 zu machen. Das war keine gute Idee, zumindest aus Sicht der Anwohner, die umgehend eine Bürgerinitiative ins Leben riefen, um sich gegen den zunehmenden Verkehrslärm zu wehren. Die Menschen, die damals an der neuen Autobahn wohnten, hatten Pech, denn die Wohnblocks, die noch nicht einmal 20 Jahre alt waren, fielen der Abrissbirne zum Opfer. Als Ersatz entstand eine 350 Meter lange Art Schallschutzmauer in Form einer Hochhauswand. Diese bunte Wand bekam von den Unterliederbachern schnell den Spitznamen „Papageiensiedlung“. Die bunte Wand schirmt eine Wohnsiedlung ab, die weiter hinten liegt. Ob der Verkehrslärm wirklich weniger laut ist, ist unklar. Schließlich handelt es sich bei diesem Stück der Autobahn A66 um einen der am stärksten befahrenen Autobahnabschnitte in Deutschland.

Der Liederbach

Der Liederbach hat dem Stadtteil im Westen von Frankfurt seinen Namen gegeben. Der Bach zeigt auch die starken Kontraste, die den Stadtteil ausmachen. Besonders deutlich wird das in der Hunsrücker Straße. Dort stehen noch die alten Scheunen und einige alte Fachwerkhäuser sowie Plattenbauten aus den 1960er Jahren. Die Hochhäuser überragen die alte Baustruktur und flankiert wird das Ganze vom Liederbach, der sich durch den alten Ortskern von Unterliederbach in südlicher Richtung seinen Weg bis zur Mündung in den Main bahnt.

Unterliederbach ist eine bunte Mischung aus vielen Frankfurter Stadtteilen. Unterliederbach hat die dörfliche Idylle, es ist eine Arbeitersiedlung und kann mit markanten Bauwerken imponieren. Die Menschen in Unterliederbach leben gerne in ihrem malerischen Dorf, beklagen jedoch, dass die Infrastruktur zu wünschen übrig lässt. Wer einen größeren Einkauf plant, der muss nach Frankfurt fahren. Das funktioniert mit der Regionalbahnlinie 12 oder mit den Buslinien 50, 53, 58, 59, 253 und 804. Alle, die in den angesagten Clubs und Kneipen in Frankfurt feiern möchten, können das Auto stehenlassen und stattdessen mit den Nachtbuslinien n1, n8 und n82 fahren.

FOTOCREDIT

Unterliederbach: EvaK, CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons