Sossenheim – alles andere als ein Kaff

Die Frankfurter sind nicht eben zimperlich, wenn sie über Sossenheim sprechen. „Wohnkaff“ oder der Stadtteil irgendwo am Rand, so wird Sossenheim gerne genannt, was wenig schmeichelhaft ist. Warum hat Sossenheim eigentlich einen so schlechten Ruf und was ist dran am Beinamen „Wohnkaff“? Vielleicht sind es die Hochhaussiedlungen, die Sossenheim an drei Seiten einrahmen. Vielleicht ist es aber auch die Tatsache, dass weder S-Bahnen noch U-Bahnen oder Straßenbahnen von Frankfurt nach Sossenheim fahren. Wer jedoch einen zweiten Blick auf den Stadtteil riskiert, der wird einiges finden, was Sossenheim sehenswert macht.

Sossenheim in Zahlen

Sossenheim liegt im Westen von Frankfurt, sechs Kilometer von der Innenstadt entfernt und galt lange als sozialer Brennpunkt.
Einwohner: 16.210
Fläche: 5,9 Quadratkilometer
Stadtteil seit: 1928
Gehört zum Ortsteil: West

Das historische Sossenheim

Die Anfänge von Sossenheim reichen weit zurück. Vermutlich war es ein Franke mit Namen „Suzo“, der sich 600 nach Christus im heutigen Sossenheim niedergelassen hat. 1218 tauchte der Name Suzoheim erstmals im Lorscher Codex auf und da eine Militärstraße an dem Dorf vorbeiführte, gab es auch eine römische Siedlung. In Kriegszeiten oder wenn große Not herrschte, suchten die Sossenheimer in Frankfurt Schutz. Dieser wurde zwar gewährt, aber die Einwohner aus Sossenheim mussten dafür mit Schaufel und Hacke die Frankfurter Stadtbefestigung ausbessern. 1438 hatte Sossenheim genug von diesem „Arrangement“ und suchte in Höchst Schutz. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das katholische Sossenheim von den Truppen des Christian von Braunschweig komplett zerstört. Im 19. Jahrhundert änderte sich das Bild des Bauerndorfes: Es entstanden mehrere Ziegeleien. Die Arbeiter in diesen Ziegeleien lebten in Baracken, tranken zu viel Alkohol, prügelten sich und es kam zu Messerstechereien. Sossenheim bekam den Beinamen Mordheim oder einfach nur Wohnkaff. Dieser Name hat sich bis heute gehalten.

Das Straßendorf

Sossenheim hat gegenüber den anderen Frankfurter Stadtteilen eine Besonderheit. Es ist ein Straßendorf und hat daher keinen über Jahrzehnte gewachsenen, historischen Ortskern. Das Bild von Sossenheim prägen die Siedlungsbauten, die noch aus den 1960er und 1970er Jahren stammen. Bis heute ist Sossenheim dicht besiedelt und hat einen hohen Migrationsanteil. Besonders deutlich wird das bei einem Spaziergang durch die Kurmainzerstraße. Das Wohnquartier ist hier sehr dicht bebaut und im Schatten der Ein- und Zweifamilienhäuser ragen die Wohnhochhäuser in den Himmel. Die Bebauung ist eine bunte Mischung aus ganz unterschiedlichen Stilelementen. Sossenheim wirkt wie eingequetscht, und zwar zwischen den Autobahnen A648 und A66 sowie dem Stadtteil Höchst. Da es kaum noch Bauland für weitere Siedlungen gibt, hält sich der Zuzug in überschaubaren Grenzen. Der berühmte Cartoonist Chlodwig Poth (Satiremagazin Titanic) prägte den Begriff Wohnkaff, aber weggezogen ist er nie. Fünf Bildstelen im Sossenheimer Unterfeld erinnern bis heute an Poth, der 2004 in Sossenheim starb.

Der Faulbrunnen

In Sossenheim gibt es nur wenige Sehenswürdigkeiten. Eine davon ist der Faulbrunnen, der seinen Namen völlig zu Recht trägt. Wer näher an den Brunnen herantritt, der merkt schnell, dass das Wasser nicht sonderlich gut riecht. Vereinfacht gesagt, es stinkt und das aus gutem Grund. Bei Probebohrungen, um eine neue Quelle zu erschließen, sprudelte plötzlich schwefelhaltiges Wasser aus dem Bohrloch. Diese Entdeckung weckte in den Einwohnern von Sossenheim die Hoffnung, ihr kleiner Ort würde zu einem Kurbad, zu Bad Sossenheim avancieren. Leider stellte sich dann jedoch heraus, dass es sich lediglich um schwefelhaltiges Trinkwasser handelte und nicht, wie erhofft, um Heilwasser. Das Wasser aus dem Brunnen kann aber jeder abzapfen und genießen. Es kostet, bedingt durch den üblen Geruch, jedoch einiges an Überwindung, das Wasser zu trinken.

Seltene Bäume

Mit dem Unterfeld hat Sossenheim ein schönes Naherholungsgebiet. Entstanden ist das Areal im 19. Jahrhundert, als Teil eines sumpfigen Tals der Nidda, das trockengelegt wurde. Nach der anschließenden Flurbereinigung im Jahre 1881 bildete sich eine kleine Wildnis mit einer Streuobstwiese, wo es noch die sehr seltenen Speierlinge gibt. Der Speierling ist ein Baum mit dem schwersten heimischen Holz. In früheren Zeiten war das Holz als Baumaterial sehr beliebt und die Früchte galten als Heilmittel. Die sogenannten Mehlbeeren des Speierlings verarbeiteten die Menschen zu einem Mus, was dann bei Ruhr sowie bei allgemeinen Schwächezuständen und der Cholera zum Einsatz kam. Heute suchen Kellereien nach diesen seltenen Beeren und zahlen bis zu 70,- Euro für einen Zentner. Begehrt ist auch das Holz, was vor allem beim Bau von Musikinstrumenten Verwendung findet. Ein Festmeter Speierling kann bis zu 6000,- Euro kosten.

Die Kirchen von Sossenheim

Bereits im Lorscher Codex wird erwähnt, dass Sossenheim eine Kapelle hatte, die dem Heiligen Nikolaus geweiht war. Der Neubau, der 1582 entstand, wurde 1706 dem Heiligen Michael geweiht. Dann folgte 1829 ein weiterer Neubau und 1967 bekam Sossenheim dann endgültig eine katholische Kirche, nur der Turm stammt noch aus dem Jahr 1582. Mit den Arbeitern, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Sossenheim zogen, kam auch die evangelische Kirche in den Ort. 1904 bildete sich eine Gemeinde, aus der 1998 eine sogenannte Regenbogengemeinde wurde. Zunächst gab es nur zwei Gemeindehäuser, heute beschränkt sich die kleine Gemeinde auf ein Gemeindehaus und baute ein zusätzliches Kinderhaus. Zu den Kirchen von Sossenheim gehört auch eine kleine Nothelferkapelle am Ausgang des Ortes in Richtung Höchst. Erbaut wurde die Kapelle auf Bestreben von Pfarrer Johann Peter Becker. Das war 1755 und diese Kapelle stand nicht lange. 1883 ließ Pfarrer Jakob Mitnacht unter großer Mithilfe der Sossenheimer Bevölkerung eine neue Kapelle errichten, die heute als Flurkapelle bei Prozessionen dient.

 „Last Exit Sossenheim“, so hat Chlodwig Pohl die Sammlung seiner bissigen Karikaturen genannt. Immer wieder nahm der Zeichner dabei die bunt gemischte Architektur aufs Korn, ein Ziel seines Spotts war außerdem die schlechte Verkehrsanbindung an Frankfurt. Tatsächlich ist Sossenheim mit dem Bus nur über Rödelheim (Linie 55), Rödelheim (Linien 50, 55 und 58), Bockenheim und Frankfurter Messe (Linie 50), sowie über Eschborn mit den Linien 56 und 58 zu erreichen. Eine direkte Busverbindung hat Sossenheim nur zum Frankfurter Flughafen. Die Fahrt zum Frankfurter Hauptbahnhof dauert rund eine halbe Stunde. Bevor die S-Bahnverbindung 1997 eingestellt wurde, ging es etwas schneller. Allerdings liegt Sossenheim verkehrstechnisch günstig, wenn es um die Autobahn geht, denn die A66 und die A648 sind nicht weit. Die Sossenheimer sind froh, ihren Stadtteil auf diese Weise verlassen zu können. Was sie jedoch stört, ist, dass die Autobahn direkt durch Wohngebiete führt.

FOTOCREDIT

Sossenheim: GeorgDerReisende, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons