Riederwald – ein kaum beachteter Edelstein

Wenn auf einen Frankfurter Stadtteil die Beschreibung „klein aber fein“ zutrifft, dann ist es Riederwald ganz im Osten der Mainmetropole. Ursprünglich als Arbeitersiedlung geplant, hat sich Riederwald über die Jahre zu einem beliebten Stadtteil entwickelt. Es sind viele Pendler, die in der City arbeiten und am Abend ins ruhige und beschauliche Riederwald zurückkehren. Auch wenn Riederwald vielleicht klein ist, es lohnt sich, diesen Stadtteil einmal etwas genauer zu betrachten. Riederwald ist wie ein Edelstein, der im Verborgenen leuchtet und erst bei näheren Hinsehen seine ganze Pracht entfaltet.

Riederwald in Zahlen

Riederwald liegt in der Nachbarschaft von Seckenheim und Fechenheim. Einige Flächen, die eigentlich in die Nachbarstadtteile gehören, werden zu Riederwald gezählt.
Einwohner: 4951
Fläche: 1,0 Quadratkilometer
Stadtteil seit: 1866/1900
Gehört zum Ortsteil: Ost

Die spannende Geschichte von Riederwald

Ein Ried ist ein sehr sumpfiges Schwemmland und aus einem dieser Riede aus der letzten Eiszeit entstand Riederwald. Zum ersten Mal tauchte der Name Riedern im Jahre 1193 als Eigentum des Königs und später als Besitz eines Klosters auf. Zweihundert Jahre später fielen die Güter von Riederwald an reiche Patrizier aus Frankfurt. Die Höfe dienten der Befestigung der Stadt, und daher baute man sie zu Wehrhöfen um. Im ständigen Streit zwischen den Hanauer Grafen und der Grafschaft Bornheimerberg kommt Riederwald zu Hanau und schließlich in den Besitz des Landgrafen von Hessen-Kassel. Im Jahre 1847 bekommt Riederwald eine Eisenbahnverbindung nach Hanau und zwischen 1909 und 1912 entstehen die ersten Häuser der Arbeitersiedlung. In den 1920er Jahren soll der bekannte Frankfurter Architekt Ernst May die Siedlung erweitern, aber dieser Plan wird nie realisiert.

Die besondere Rolle im Dritten Reich

Während der Zeit der Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 spielt Riederwald eine besondere Rolle. Die Arbeitersiedlung gilt als „Rot“, die SPD und auch die KPD sind in Riederwald bereits in der Weimarer Republik sehr stark vertreten. Als die NSDAP das Sagen hat, bildet sich in der Siedlung Riederwald aktiver Widerstand. Johanna Tesch, die aus Riederwald stammte, galt als eine Politikerin, die kein Blatt vor den Mund nahm und gegen die Nazis kämpfte. Sie saß bis 1924 im Reichstag und lebte nach der Machtergreifung 1933 zurückgezogen in Riederwald. Nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 kam Johanna Tesch in Haft und wurde schließlich ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück gebracht. Dort starb sie 1945 an Unterernährung. In Riederwald erinnern bis heute eine Gedenktafel an ihrem Wohnhaus und der Johanna-Tesch-Platz an diese mutige Frau.

Eine beliebte Kulisse

Das Stadtbild von Riederwald hat Ernst May geprägt. Das ist besonders auffallend am Engelsplatz, den der Architekt als eine Art Anker für seine Altbaubebauungen vorgesehen hat. Anders als bei den meisten Häusern in Riederwald haben diese Häuser keine für May typischen Flachdächer, sondern einseitig geneigte Schrägdächer. Auffallend sind auch die gegenläufigen Schornsteine. Vielleicht ist es diese interessante Architektur, die Riederwald zu einer beliebten Kulisse für Film und Fernsehen gemacht haben. „Der Tote im Nachtzug“ ist ein „Tatort“, der in Frankfurt spielt, Drehort war die AG-Siedlung in Riederwald. Joachim Król und Nina Kunzendorf spielten die Hauptrolle in dem Krimi, der 2011 lief. Zwei Jahre später fanden ebenfalls in Riederwald die Dreharbeiten zum Spielfilm „Im Labyrinth des Schweigens“ statt. Der Film behandelt die Vorgeschichte zu den sogenannten Auschwitzprozessen, die in den 1950er Jahren in Frankfurt stattfanden.

Die Siedlung unter Denkmalschutz

Warum Riederwald ein unentdeckter Edelstein ist, das beweist auch die Arbeitersiedlung in der Friedrich-List-Straße. Die Häuser, die in einem einzigartigen Stil erbaut wurden, bekamen für rund 26 Millionen Euro eine Sanierung und damit leider auch eine Mieterhöhung. Viele Menschen waren mit der Sanierung, die die ABG Frankfurt Holding spendiert hat, nicht einverstanden. Die Mieten stiegen und damit hat die ABG erreicht, dass die Siedlung heute eine ausgewogene soziale Mischung hat. Während diese schöne Siedlung unter Denkmalschutz steht, verfällt die sogenannte May-Siedlung. Sie entstand 1920 und war eine Herzensangelegenheit des bekannten Frankfurter Architekten. Könnte May heute die Siedlung in der Karl-Marx-Straße sehen, dann wäre er mit Sicherheit enttäuscht. Die Häuser verfallen und die Bewohner werfen der ABG Holding vor, die Siedlung vergammeln zu lassen. Die ABG wiederum beteuert, dass die Häuser nach und nach eine Sanierung bekommen. Noch vor 100 Jahren waren die Wohnungen in der Siedlung etwas ganz Besonderes, denn ihre hohe Funktionalität galt als mustergültig.

Die schöne Schäfflestraße

In jeder Stadt und auch in jedem Stadtteil gibt es eine ganz besondere Straße. Riederwald macht da keine Ausnahme und die Straße heißt hier Schäfflestraße. Es gibt nur eine Straße in Riederwald, die durch einen expressionistischen Stil geprägt wird und das ist die Schäfflestraße. Markant ist das Stadttor, das alle Blicke auf sich zieht, aber auch die Häuser, die links und rechts des Stadttors stehen, sind aus architektonischer Sicht ein echtes Highlight. Das Stadttor ist eine der wichtigsten Zufahrten nach Riederwald, aber die Stadt will den Verkehr dort beruhigen und hat elf neue Bäume gepflanzt. Die Sanierung der Straße kostet die Stadt Frankfurt vier Millionen Euro, aber diese Investitionen lohnen sich. Ein neuer, heller Straßenbelag, der einen tollen Kontrast zu den Häusern darstellt, macht die Schäfflestraße noch attraktiver.

Das Problem mit den Kirchen

In Riederwald galten Kirchen lange Zeit als ein problematisches Thema. Als der Stadtteil mit seinen Arbeitersiedlungen entstand, gab es weder eine evangelische noch eine katholische Kirche. Später gab es Gottesdienste in Baracken, dann in den neu gebauten Schulen. Erst in den 1920er Jahren entstanden die Kirchen beider Konfessionen, und zwar in Sichtweite zueinander. Die katholische Heilig-Geist-Kirche entstand als eine der ersten Stahlskelett-Kirchen in Deutschland und öffnete 1931 ihre Pforten. Die evangelische Kirche wurde als Riederwaldkirche gebaut, im Zweiten Weltkrieg zerstört und als Philippuskirche wieder aufgebaut.

Riederwald ist ein in vielfacher Hinsicht sehr interessanter Frankfurter Stadtteil. Es gibt eine außergewöhnliche Geschichte, eine bemerkenswerte Architektur, die einmal mehr von Ernst May beeinflusst wurde sowie ein reges Vereinsleben. Das Riederwaldstadion dient Eintracht Frankfurt als Trainingsgelände und die Riederwälder lassen es sich nicht nehmen, die Kicker von der Eintracht beim Training zu beobachten. Mit den U-Bahnlinien U4 und U7 sowie den Buslinien 44, 41 und dem Nachtbus n5 sind die Bewohner des liebenswerten Stadtteils im Osten von Frankfurt schnell zum Einkaufbummel in der City.

FOTOCREDIT

Riederwald: Sebastian Kasten, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons