Oberrad – das kleine Dorf der fleißigen Gärtner

Auf den ersten Blick hat Oberrad wenig Sehenswertes und wirkt auch nicht sonderlich attraktiv. Eine in die Jahre gekommene Offenbacher Landstraße, leer stehende Häuser und Geschäfte sowie einige Brachen, die nicht sonderlich einladend wirken, ein schöner Stadtteil sieht anders aus. Aber das ist, wie gesagt, nur der erste Eindruck, denn wer hinter die Kulissen schaut, der merkt schnell, dass Oberrad noch einiges mehr zu bieten hat. „Gärtnerdorf“ wird Oberrad genannt und das aus gutem Grund. Hier wachsen die sieben Kräuter, die in das Frankfurter Nationalgericht, die grüne Soße, kommen.

Oberrad in Zahlen

Oberrad liegt im Osten von Frankfurt und ist immer noch eine geschlossene, dörfliche Siedlung mit einem entsprechenden Grundriss.
Einwohner: 13.300
Fläche: 2,7 Quadratkilometer
Stadtteil seit: 1900
Gehört zum Ortsteil: Süd

Oberrad und seine Geschichte

Beim Bau der Autobahn im Oberräder Eichlehen machten Arbeiter 1966 eine sensationelle Entdeckung: Sie fanden das Grab eines Fürsten aus der frühen Eisenzeit. Vermutlich stammt das Grab aus dem Jahr 700 vor Christus und neben dem keltischen Fürsten fanden sich kostbare Grabbeigaben wie Pferdegeschirre, Essgeschirr und ein Schwert. Urkundlich erwähnt wird Oberrad jedoch erst 1151 und dann noch einmal 1315. Die Kirche stammt nachweislich aus dem Jahr 1270 und die Pfarrei gehörte ab 1321 zu Frankfurt. Wie die meisten Frankfurter Stadtteile, so wechselte auch Oberrad mehr als einmal den Besitzer und kam schließlich zusammen mit Niederrad und Seckbach 1900 zu Frankfurt. Bei zwei großen Angriffen im Zweiten Weltkrieg wurde Oberrad zu 90 Prozent zerstört, 1951 begann der Wiederaufbau. Da Oberrad nicht direkt an andere Stadtteile grenzt, hat sich das dörfliche Aussehen bis heute nicht geändert.

Die magischen sieben Kräuter

Die grüne Soße oder die „Grie Soß“, wie sie in Frankfurt heißt, ist ein Nationalgericht, um das sich viele Legenden ranken. Sieben verschiedene Kräuter gehören in die grüne Soße, die gerne zu Pellkartoffeln gegessen wird. Welche Kräuter das sind, bleibt dem Koch oder der Köchin überlassen, Petersilie kann ebenso dazu gehören wie Schnittlauch oder Kresse, Borretsch oder Sauerampfer. Wer es mag, der gibt Kerbel in die grüne Soße oder Pimpinelle, aber eines darf nicht in diese Soße und das ist Dill. Alle Kräuter, die in der grünen Soße Verwendung finden, wachsen auf den Feldern oder in den Gewächshäusern in Oberrad. Daher hat das Dorf auch seinen Beinamen, das „Gärtnerdorf“. 130 Hektar, das ist gut die Hälfte des Ortes, besteht aus Feldern, die zwölf landwirtschaftliche Betriebe bewirtschaften. Im Norden und im Süden sind die Gemüsefelder zu finden, auf denen unter anderem die Kräuter für die grüne Soße wachsen.

Das Denkmal für die grüne Soße

Welche große Bedeutung die grüne Soße für Oberrad hat, das beweist das Denkmal zu Ehren der Soße. Es zeigt sieben kleine Gewächshäuser, die auf einem Betonsockel stehen und in sieben verschiedenen Grüntönen schimmern. Eingeweiht 2007, stehen die Häuschen, die die Kräuter Kerbel, Kresse, Borretsch, Petersilie, Pimpinelle, Schnittlauch und Sauerampfer symbolisieren, am Rand der Kräuterfelder in Oberrad. Bei Nacht sind die kleinen Gewächshäuser illuminiert und erinnern in ihrer Grünfärbung anstrahlend schöne Smaragde. In den Glasflächen der Häuser spiegeln sich die Landschaft, der Himmel und auch die Skyline von Frankfurt, um so einen Bezug zum Ort Oberrad herzustellen.

Schöne Naherholungsziele

Die Einwohner von Oberrad leben in einer kleinen Idylle. Mit dem Maunzenweiher und dem Scheerwald haben sie zwei schöne Ziele für Ausflüge. Der Maunzenweiher liegt am Ortsrand von Oberrad, nah an der Autobahn 661. Der idyllische Weiher hat eine lange Geschichte. Er entstand aus einer Kuhle, die sich immer wieder mit Regenwasser füllte. Die Töpfer aus der Umgebung bauten dort den Lehm ab, den sie für ihre Arbeiten benötigten. Im Laufe der Jahrhunderte füllte sich die Kuhle immer mehr mit Regenwasser, bis sich schließlich der Weiher bildete. Der Scheerwald liegt am Rande des Stadtwaldes im Norden von Oberrad. Er ist ebenfalls ein beliebtes Ausflugsziel besonders für Familien, die die vielen schattigen Grillplätze nutzen. An den Wochenenden wird im Scheerwald auch gefeiert.

Eine Mustersiedlung

In den 1920er Jahren wuchs Frankfurt besonders stark, was den Bau von neuen Wohnungen erforderlich machte. In fast allen Stadtteilen entstanden sogenannte Mustersiedlungen und Architekten wie Ernst May probierten neuen Konzepte aus. Zu diesen neuen Konzepten gehört auch die Tellersiedlung in Oberrad. Die Tellersiedlung liegt im südöstlichen Außenbereich des Stadtwalds in einem ruhigen Viertel. May wählte für den Bau der Siedlung im Jahr 1927 ein quadratisches Grundstück mit der Größe von 13 Hektar. In der Mitte der Siedlung befindet sich eine Straße, die bis heute „Im Teller“ heißt. Entlang dieser Straße entstanden auf zehn tiefen Grundstücken zehn Doppelhäuser mit zwei Geschossen. Auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks steht jeweils ein Gewächshaus. Alle Häuser haben ein Flachdach und sie gehören daher zur kubischen Architektur. Heute hat sich in der Tellersiedlung kaum etwas verändert und die 100 Bewohner leben immer noch in einer Mustersiedlung.

Das interessante Heimatmuseum

Alle, die mehr über Oberrad erfahren möchten, sollte das örtliche Heimatmuseum besuchen. Oberrad ist das „Gärtnerdorf“ und daher ist ein Schwerpunkt des Museums eine umfangreiche Sammlung von historischen Gartengeräten und Utensilien für die Arbeit im Garten. Zu den Exponaten gehören außerdem einzigartige Fotos und Dokumente, die teilweise noch aus der Zeit um 1900 stammen. Historisches gibt es auch zu den mehr als 60 Vereinen und über 40 Gastronomiebetrieben. Das Museum zeigt dazu Bilder, Fotos und bunte Postkarten. Einen Besuch wert sind auch die zahlreichen Sonderausstellungen. So beschäftigt sich eine dieser Sonderausstellungen mit der Zerstörung von Oberrad im Zweiten Weltkrieg. Nur die Innenstadt von Frankfurt hat mehr abbekommen als Oberrad, das fast vollständig in Trümmern lag. Eine andere Sonderausstellung widmet sich der Heimatmalerin Philippine Schulz, deren Bilder das historische Oberrad zeigen.

Oberrad gehört zu den unscheinbaren Stadtteilen von Frankfurt, die ihre interessanten Seiten erst auf den zweiten Blick preisgeben. Durch die besondere Lage und die Nähe zur Natur hat sich Oberrad seinen dörflichen Charakter bewahrt und das macht den Stadtteil so reizvoll. Wer nach Frankfurt fahren möchte, der kann das mit den Straßenbahnlinien 15, 16 und an Samstagen auch mit der Linie 18. Außerdem fahren die Buslinien 81 und 82 in die City. Es lohnt sich, Oberrad einen Besuch abzustatten, besonders für alle, die eine grüne Soße zu schätzen wissen.