
Gutleutviertel – Goethe hat sich dort wohlgefühlt
Der Name des Viertels, das sich westlich und südlich des Hauptbahnhofs erstreckt, ist irritierend. Im Gutleutviertel leben nicht mehr und nicht weniger gute Menschen, wie in den anderen Frankfurter Stadtteilen auch. Das Gutleutviertel hat seinen Namen von einem Gutshof, den die Zeitgenossen im 13. Jahrhundert als den „Hof der guten Leute“ bezeichneten. Es waren wirklich gute Menschen, denn sie haben auf dem Anwesen Aussätzige betreut und gepflegt, die an einer damals weit verbreiteten Krankheit litten: der Lepra.
Das Gutleutviertel in Zahlen
Das Gutleutviertel liegt im Osten von Frankfurt am nördlichen Ufer des Mains.
Einwohner: | 6908 |
Fläche: | 2,20 Quadratkilometer |
Stadtteil seit: | 1866 |
Gehört zum Ortsteil: | Innenstadt I |
Eine bewegte Geschichte
Mit dem Gutshof, auf dem gute Leute kranke Menschen gepflegt haben, beginnt die Geschichte des Gutleutviertels. Jahrhunderte lang war das heutige Gutleutviertel kein strukturiertes Viertel oder ein Dorf im eigentlichen Sinne. Es gab nur den großen Gutshof und die landwirtschaftliche Fläche vor den Toren von Frankfurt. Ganz in der Nähe lag das Galgentor, wo der Frankfurter Galgen stand, den die Stadtväter erst entfernten, als der französische Kaiser Napoleon Frankfurt besuchte. Johann Wolfgang von Goethe hat sich im Gutleutviertel offensichtlich sehr wohlgefühlt, denn der Dichter beschreibt sehr anschaulich ein Fest. „Auf den Gemeindeweiden umher versammelte man zu einem gewissen Tage des Jahres die Rindviehherden aus der Nachbarschaft und die Hirten samt ihren Mädchen feierten ein ländliches Fest, mit Tanz und Gesang, mit mancherlei Lust und Ungezogenheit.“ So weit der Dichterfürst über seinen Besuch im Gutleutviertel. Nach der ländlichen Idylle kam die Industrie ins Viertel und leitete damit einen Strukturwandel ein, den das Gutleutviertel gut verkraftete.
Wie sieht das Viertel heute aus?
Das, was anderen Stadtteilen von Frankfurt eher schwergefallen ist, hat das Gutleutviertel spielend geschafft: einen grundlegenden Strukturwandel. Als sich das Industriezeitalter dem Ende entgegen neigte, orientierte sich das Viertel anders und wurde modern. So verschwand der Gutshof, der dem Viertel seinen Namen gegeben hat. Da er nicht unter Denkmalschutz stand, musste er in den 1970er Jahren einem Berufsschulzentrum weichen. Der Wandel vollzog sich vor allem im Westhafen, der heute das urbane, moderne Frankfurt repräsentiert. Alles dort hat eine schicke Optik, es wurde viel Glas verbaut und für die meisten Frankfurter ist das neue Gutleutviertel nicht mehr erschwinglich. Es gibt bereits eine Tendenz zur Entmietung, denn viele Häuser bekommen eine Sanierung und je attraktiver sie später sind, umso teurer sind dann auch die Mieten. Viele der Menschen, die aus dem Gutleutviertel stammen und lange Jahre dort wohnen, können die teuren Mieten nicht mehr bezahlen.
Ein Stadtteil der Gegensätze
Das Gutleutviertel ist ein Stadtteil der Gegensätze und Kontraste. Die zwölf frei stehenden Wohnhäuser am Westhafen sind aus architektonischer Sicht ein echtes Highlight und da sie direkt am Wasser stehen, vermitteln sie ein gewisses mediterranes Flair. In diesem Ensemble macht sich der 109 Meter hohe Westhafen Tower natürlich besonders gut. Er ist das Wahrzeichen des Quartiers und da seine Fassade rautenförmig ist, nennen die Frankfurter ihn „Geripptes“. Das ist eine Anspielung auf die Gläser, die „Gerippten“, aus denen der Apfelwein getrunken wird, denn diese Gläser haben ebenfalls ein Rautenmuster. Der krasse Gegensatz zum Westhafen ist die Wurzelsiedlung. Diese Siedlung liegt ein wenig isoliert, mitten im Industriegebiet des Gutleutviertels. 116 Wohnungen umfasst die Siedlung, es gibt eine Kneipe und ein Fitnessstudio. Die Häuser mit den grünen Fensterläden und den gepflegten Vorgärten wirken ein bisschen wie aus den 1950er Jahren entsprungen.
Der wenig bekannte Park
Grünflächen gibt es im Gutleutviertel nicht allzu viele. Ein wenig erstaunlich ist deshalb, dass der Sommerhoffpark bei vielen unbekannt ist. Der wunderschöne 2,5 Hektar große Park am Ufer des Mains existiert schon seit dem 19. Jahrhundert. Damals wurde der Park nach dem Vorbild eines englischen Landschaftsgartens angelegt. Bis heute ist er für die Bewohner des Viertels eine grüne Oase mitten in der modernen Stadt. Die Besucher sitzen auf Bänken unter schattigen Bäumen und schauen auf gepflegte Blumenrabatten. Es gibt große Freiflächen, die zu einem Sonnenbad einladen und für Mütter mit Kindern ist der Spielplatz der richtige Ort. Zu erreichen ist der Sommerhoffpark allerdings nur über die Gutleutstraße. Ein fantastischer Blick auf den Fluss macht die schlechte Anbindung wieder wett.
Das Industriegebiet Gutleutviertel
Da das Gutleutviertel immer wieder bewiesen hat, wie wandlungsfähig es ist, haben sich dort viele Industrieunternehmen und Gewerbetreibende niedergelassen. So finden sich im Osten des Viertels vor allem Dienstleistungsbetriebe, Verwaltungen und Büros. In der ehemaligen Gutleutkaserne ist seit 1994 ein Behördenzentrum untergebracht. Die fünf Finanzämter der Stadt Frankfurt sind hier zu finden, von denen jedes auf dem Dach mit einem Hut in anderer Farbe gekennzeichnet ist. In der ehemaligen Kaserne befindet sich neben dem Landesarbeitsgericht Hessen auch das Arbeitsgericht Frankfurt am Main. Der Westhafen Tower hat 30 Etagen und mehr als 23.000 Quadratmeter Büroflächen, die an Makler wie auch Anwälte und Finanzdienstleistungsunternehmen vermietet wurden. Die Post hat im Gutleutviertel ein Briefverteilzentrum mit 1300 Beschäftigten.
Wie sieht die Zukunft aus?
Für viele ist das Gutleutviertel die Zukunft Frankfurts. Das, was jetzt schon gebaut wurde, ist ein erster Beweis dafür, wie flexibel das Viertel und seine Bewohner sind. Wie genau die Zukunft aussehen wird, steht noch nicht fest, aber es gibt eine Reihe von Ideen. So sollte an der südlichen Seite des Hauptbahnhofs am Khasanagelände eine Campanile entstehen. Das wäre mit mehr als 300 Meter das höchste Gebäude in Europa geworden. Leider wurde daraus nichts, denn die direkten Nachbarn hatten etwas gegen das gigantische Bauvorhaben. Ebenso wenig wollten sie einen modernen Bahntower als Bürogebäude für die Beschäftigten. Die Bahn ließ den Plan eines Neubaus fallen und mietete stattdessen den Silberturm der früheren Dresdner Bank.
Vielleicht ist es die Gelassenheit der Menschen, die im Gutleutviertel wohnen, dass der Stadtteil in ständigem Wandel ist. Das alte Viertel macht einfach jeden Trend mit und bleibt auf diese Weise nicht nur für die Bewohner, sondern auch für Unternehmen und Investoren attraktiv. Das Gutleutviertel ist immer bürgerlich geblieben, auch wenn die Region rund um den Westhafen eine Ausnahme bildet. Hier ist das moderne, fast schon futuristische Frankfurt zu Hause, aber es passt in das Bild des Viertels. Die große Anpassungsfähigkeit macht das Gutleutviertel auch in Zukunft zu einer guten Adresse.
FOTOCREDIT
Gutleutviertel: Epizentrum, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons