Nieder-Erlenbach – die Idylle ganz im Norden

Felder und Wiesen, blühende Obstbäume und kleine, romantische Bachläufe – das alles verbindet kaum jemand mit Frankfurt am Main. Selbst wenn es diese Idylle in der Bankenmetropole eher nicht gibt, ein paar Kilometer weiter ist sie Wirklichkeit. Genauer gesagt in Nieder-Erlenbach, dem Stadtteil, der am nördlichsten im Frankfurter Stadtgebiet liegt. Es sind der Anbau von Obst und die Landwirtschaft, die diesen Stadtteil wie keinen anderen prägen. Die Lößböden der Wetterau sorgen hier für eine stets gute Ernte und daher fühlen sich landwirtschaftliche Betriebe und Gärtnereien in Nieder-Erlenbach so wohl.

Nieder-Erlenbach in Zahlen

Einwohner: 4650
Fläche: 8,3 Quadratkilometer
Stadtteil seit: 1972
Gehört zum Ortsteil: Nieder-Erlenbach

Ein Ort mit einer langen Geschichte

Nieder-Erlenbach kann stolz auf eine Geschichte sein, die mehr als 1340 Jahre zurückreicht. Im Lorscher Kodex findet Nieder-Erlenbach zum ersten Mal Erwähnung, und zwar unter dem Namen Arilbach. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte der heutige Stadtteil von Frankfurt mehrmals den Eigentümer. Unterschiedliche Klöster kauften und verkauften das Dorf, die Reichsstadt Frankfurt reklamierte Nieder-Erlenbach für sich, auch das Großherzogtum Hessen-Darmstadt hatte lange Zeit das Sagen. Im 16. Jahrhundert kam es zu zwei verheerenden Großbränden, die Nieder-Erlenbach fast vollständig zerstörten. Was die Einwohner auszeichnet, ist ihre große Gelassenheit. Während sich die anderen Dörfer in der Nachbarschaft immer wieder gewaltsam gegen die Fremdherrschaft wehrten, blieben die Einwohner von Nieder-Erlenbach ruhig und gelassen. Ändern konnten sie ja doch nichts.

Nieder-Erlenbach heute

Seinen Namen verdankt das Dorf in der Stadt einem Mittelgebirgsbach, der im nahen Taunus entspringt. Auf einer Länge von nur ein paar Kilometern schlängelt sich der Bach durch Massenheim, einem Stadtteil von Bad Vilbel und durch Nieder-Erlenbach, bevor er dann in die Nidda mündet. Nieder-Erlenbach hat sich seinen dörflichen Charakter bewahrt, auch wenn es heute Neubausiedlungen im Ort gibt. Durch die Siedlungen „Westrand“ und „Südlich Am Riedsteg“ wächst Nieder-Erlenbach um mehr als 1000 Einwohner. An der nötigen Infrastruktur arbeitet Frankfurt noch, aber es gibt bereits einen Supermarkt und einen Discounter. Nieder-Erlenbach hat eine Grundschule sowie eine Privatschule und eine private Förderschule mit einer angrenzenden Wohngruppe. Wer nach Nieder-Erlenbach kommt, der sollte es nicht versäumen, die evangelische Kirche zu besuchen. Wie alt die Kirche ist, steht nicht fest, aber es sollen 800 Jahre sein. In den 1950er Jahren bekam sie einen neuen Innenraum und beeindruckt seitdem alle Besucher mit ihrer schlichten Eleganz.

Fachwerkromantik pur

Enge Straßen und liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser prägen das Bild der dörflichen Idylle. Im historischen Ortskern von Nieder-Erlenbach sind die Straßen eng und vor allen Dingen kurvig. Die Busse haben große Mühe, durch die Gassen zu fahren, und das führte letztendlich zum Konzept „Shared Space“. Für die Realisierung des Konzeptes montierte man in Nieder-Erlenbach alle Verkehrsschilder ab. Die Autofahrer, die Radler und auch die Fußgänger sollten aufeinander Rücksicht nehmen. Der Versuch misslang vollkommen und nach drei Jahren war damit Schluss. Heute ist der schöne Ortskern eine verkehrsberuhigte Zone. Sehenswert im Zentrum von Nieder-Erlenbach ist die Untermühle, ein barockes Fachwerkhaus aus dem Jahr 1732. Außerdem stehen hier noch weitere Fachwerkhäuser, die ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert stammen.

Das Lersner’sche Schloss

Das Lersner’sche Schloss, auch Charlottenburg genannt, ist ein barockes Herrenhaus und eines der schönsten Gebäude in Nieder-Erlenbach. Im Jahre 1376 bekam Nieder-Erlenbach von Kaiser Karl IV. das Recht, Schöffen und auch Schultheiße einzusetzen und so beschlossen die Ratsherren, eine Burg zu bauen. Diese Burg sollte für die Amtsleute sein, aber in den folgenden Jahrhunderten bewohnten meist adelige Familien die Burganlage. Schon zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges galt die Burg als baufällig. 1698 verkaufte die Gemeinde sie an Johann Hieronymus von Glauburg, einen reichen Kaufmann aus Frankfurt. Der ließ die alte Burg zwei Jahre später abreißen und baute dort ein Herrenhaus: das Lersner’sche Schloss. Lange Jahre diente das Herrenhaus der Familie als Wohnsitz, es gab einen Garten im Stil der englischen Landschaftsgärten und die Familie betrieb dort erfolgreich eine Pferdezucht. Heute ist dort die Privatschule von Nieder-Erlenbach zu finden.

Die Heimat des Apfelweins

Vor allem im Frühling macht es Spaß, rund um Nieder-Erlenbach einen ausgiebigen Spaziergang zu machen, denn dann blühen dort die Apfelbäume in ganzer Pracht. Die Äpfel bilden praktisch die Grundlage für das Frankfurter Nationalgetränk, den Apfelwein oder Ebbelwoi. Viele der Obstbauern, die in Nieder-Erlenbach ihre Apfelbäume haben, keltern den Apfelwein selbst. Vielfach stammt der Wein aus einer der 100 alten Apfelsorten, die in Nieder-Erlenbach wieder zu neuer Blüte kommen. Dort wachsen jedoch nicht nur Sorten für den Apfelwein, auch Frankfurter Spitzenrestaurants und die Wochenmärkte bekommen ihre Äpfel aus Nieder-Erlenbach. Wenn es nach den Frankfurter Ratsherren geht, soll im Frankfurter Norden ein neuer Stadtteil entstehen. Das machen die Bauern aus Nieder-Erlenbach jedoch nicht mit. Sie müssten Land abgeben und sie fürchten, dass dann ähnliche Gettos entstehen, wie es sie beispielsweise schon in Kalbach-Riedberg oder ähnlichen Neubaugebieten gibt.

Die Nieder-Erlenbacher Kerb

Die Kerb oder Kirchweih in Nieder-Erlenbach hat eine lange Tradition und findet jedes Jahr im September statt. 1537 findet sich eine erste urkundliche Erwähnung einer Festlichkeit, die seitdem jedes Jahr stattfindet. Die Nieder-Erlenbacher Kerb im Mittelalter und die Kerb von heute lassen sich nicht mehr miteinander vergleichen. Während auf der mittelalterlichen Kerb der Handel im Vordergrund stand, so ist es heute das Vergnügen, aber auch die Tradition, was die Menschen mit einer Kerb verbinden. Vier Tage lang gibt es ein buntes Kirmestreiben mit Frühschoppen, „Giggelschmiss“, Kerbtanz und dem Umzug der Kerbburschen. Zum guten Schluss wird dann nach alter Sitte die „Kerbmarie“ auf dem Kerbplatz verbrannt. In diesem Jahr findet die Kerb in Nieder-Erlenbach zwischen dem 14.- und dem 17. September statt.

Die ländlichen Stadtteile wie Nieder-Erlenbach sehen sich auch heute noch eher als eigenständige Gemeinde, denn als Teil einer modernen Metropole. Das mag auch an der großen Entfernung liegen, die die Innenstadt von Frankfurt und das Dorf Nieder-Erlenbach trennen. Durch die räumliche Entfernung hat sich Nieder-Erlenbach seinen eigenen Charakter bewahrt. Wenn es jedoch beispielsweise um eine neue Skateranlage für die Kinder geht, dann wendet sich Nieder-Erlenbach gerne an Frankfurt. Schon 2010 sollte die bestehende Anlage eine Sanierung bekommen, aber nichts passierte. Die Nieder-Erlenbacher haben aber nicht nachgelassen. Schließlich nahm die Stadt 77.000 Euro in die Hand und heute ist die Skateranlage saniert.

FOTOCREDIT

Nieder-Erlenbach: Karsten Ratzke, CC0, via Wikimedia Commons